„Alles meschugge“ in Berlin

Österreich hat bei den European Maccabi Games so richtig abgeräumt und nur drei sportlichen Großmächten den Vortritt gelassen. Berlin überzeugte als Austragungsort.
VON FRITZ NEUMANN

23 Goldmedaillen, 14 Silbermedaillen, 12 Bronzemedaillen. So bilanziert Österreich ansonsten nicht einmal im Wintersport. Auch insofern waren die 14. Europäischen Makkabi-Spiele in Berlin eine herausragende Veranstaltung, der sogenannte Medaillenspiegel schilderte Österreich Anfang August an vierter Stelle aus. Allein Gastgeber Deutschland (54/46/44), die USA (38/38/27) und Großbritannien (25/29/21), drei sportliche Großmächte also, waren außer Reichweite.

Mooooment! Die USA bei europäischen Spielen? Ja, in diesem Fall spielt es das wirklich, da werden Teams aus den USA und etwa aus Argentinien regelmäßig nach Europa eingeladen. Natürlich könnte man sagen, in einer Wertung ohne die USA wäre für Österreich sogar der dritte Gesamtrang herausgekommen. Man könnte. Man muss aber nicht.

So oder so hatten die Österreicher, 2011 Veranstalter der 13. Europäischen Spiele, eine große Delegation mit vier Dutzend Sportlern nach Berlin geschickt und ihre quasi traditionelle Routine in die Waagschale geworfen. Soll heißen, es räumten vor allem die, nun ja, ebenso erfahrenen wie rüstigen Semester in den sogenannten Masters- Bewerben ab. Der Wiener Schwimmer Thomas Löwy trug allein sieben Titel davon und beeindruckte mit Spitzenzeiten. Die fast schon gewohnten Erfolge stellten sich u.a. auch im Bridge, im Golf und im Tennis ein, da holte Ronald Sinai solo Gold sowie gemeinsam mit NU-Herausgeber Martin Engelberg Bronze im Doppel.

Legendäre jüdische Sportler beim Empfang

Berlin begegnete den insgesamt 2.300 Teilnehmern aus 18 Nationen mit viel Sympathie. In den Wochen vor den Spielen war die Veranstaltung ordentlich beworben worden, in der ganzen Stadt hingen Plakate, die mit jüdischen Begriffen spielten. „Bei Gold werden alle meschugge“, hieß es auf einem Plakat, auf einem anderen stand: „Die ganze Mischpoke am Start“.

Vor der Eröffnung war der Austragungsort da und dort in Frage gestellt worden, hatte Berlin doch die Olympischen Spiele 1936 erlebt, die den Nazis eine riesige Propaganda-Bühne boten und jüdische Sportler ausgrenzten. Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck wies denn auch bei der Eröffnung vor 10.000 Besuchern in der Waldbühne auf die historische Dimension hin. „Was für ein Symbol“, sagte Gauck, „dass sich ausgerechnet hier, auf diesem Gelände im Schatten des Olympiastadions, jüdische Sportler aus ganz Europa versammeln, um sich im sportlichen Wettstreit zu messen.“ Schon auf dem Berliner Hauptbahnhof wurden Ankommende mit überdimensionalen Bildern von 17 legendären jüdischen Sportlern empfangen. Beispielsweise war der Boxer Erich Seelig zu sehen, der deutscher Meister im Mittelgewicht und später im Halbschwergewicht war und 1933 in die USA emigrierte. Oder die Leichtathletin Lilli Henoch, die in den Zwanzigerjahren vier Weltrekorde (zweimal Diskus, Kugelstoß, Staffellauf) fixiert hatte – sie wurde 1942 nach Riga deportiert und dort erschossen.

Berlin war seine Veranstalterrolle also sehr bewusst angegangen. Misstöne während der Maccabi Games gab es wenige. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller berichtete von zwei antisemitischen Vorfällen, das eine Mal seien Sicherheitsmitarbeiter, das andere Mal sei eine jüdische Gruppe beleidigt worden. Man wolle das, sagte Müller, „nicht verschweigen, aber auch nicht zu hoch hängen“.

Mit Kippa durch Berlin

Wohl zu hoch gehängt hatte die New York Times einen Kommentar, in dem jüdischen Sportlern, Trainern und Funktionären geraten wurde, nicht mit Kippa durch Berlin zu spazieren. „Blödsinn“, wurde so gut wie unisono der Kommentar kommentiert. Bürgermeister Müller hob den gegenseitigen Respekt hervor, der von den Maccabi Games ausgegangen sei. „Das ist die Botschaft, die wir aus dem toleranten und weltoffenen Berlin in die Welt senden.“

Auch laut Alon Meyer, dem Präsidenten von Makkabi Deutschland, habe Berlin „ein Fest erlebt, dessen Wirkungskraft weit über den Sport hinausgegangen“ sei. Kanzlerin Angela Merkel erklärte: „Angesichts der Vergangenheit kann Deutschland für die wiedererstarke Vielfalt jüdischen Lebens unter uns und das neu gewachsene Vertrauen der Gäste aus dem Ausland nur zutiefst dankbar sein.“

Die Sicherheitsvorkehrungen waren natürlich enorm, die Kosten dafür machten einen guten Teil des Gesamtbudgets von fünf Millionen Euro aus. Die Tatsache, dass alle Teilnehmer in ein und demselben Mega- Hotel – im „Estrel“ in Neukölln – untergebracht waren, brachte neben der einen oder anderen Minute an Wartezeit bei den Securitychecks mit sich, dass viele Gespräche geführt, Kontakte geknüpft, Bekanntschaften gemacht wurden.

Bei den nächsten Maccabi Games handelt es sich, so will es der Rhythmus, wieder um Weltspiele, die 2017 in Israel steigen. Der Veranstalter der nächsten Europaspiele (2019) steht noch nicht fest. Dem Vernehmen nach hat sich neben Budapest und St. Petersburg auch Basel beworben, wo Theodor Herzl mit der Organisation des ersten Zionistischen Weltkongresses 1897 und der Verabschiedung des „Basler Programms“ zwei Meilensteine setzte

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